Ich tische nichts auf, das nicht auch mir Freude bereiten würde



Zu viele Köche verderben den Brei», besagt ein Sprichwort. Aber das trifft nicht immer zu: Im Seewadel rühren 26 Hände – eine Küchenchefin, vier Köche, vier Lernende und vier Hilfsköche – in den Kochtöpfen und sorgen dafür, dass es den Bewohnerinnen und Bewohnern ernährungstechnisch an nichts fehlt. Koch André Nikles (25) berichtet, was es bedeutet, für 80 Personen und mehr zu kochen – und wo er Raum für Kreativität findet.

Es ist Corona geschuldet, dass André vom À-la-carte-Restaurant in die Altersheimküche übersiedelte: «Auf sechs Monate Kurzarbeit folgten drei Monate, in denen ich gar nicht arbeiten konnte. Die Ungewissheit, wie es in der Gastronomie wohl weitergehen würde, hat mich schliesslich dazu bewogen, einen Job im Altersheim zu suchen», erzählt der junge Koch. Er fand eine Stelle als Koch im Bethesda Alterszentrum in Ennetbaden. Nach dem Umzug nach Jonen wurde er auf eine freie Stelle in der Seewadel-Küche aufmerksam. «Meine Freundin hat mich darin bestärkt, mich hier zu bewerben. Sie kennt das Seewadel von klein auf, weil ihre Grossmutter hier 20 Jahre lang in der Pflege tätig war. Ich kam zum Probearbeiten – und bin geblieben.»

 

Weniger Stress – und eine Prise Kreativität

Inzwischen ist André schon mehr als anderthalb Jahre in der Seewadel-Küche heimisch und als Koch zuständig für die kalte und warme Küche. Ausserdem verantwortet er das Trockenlager: Wenn Salz, Mehl, Zucker, Konfi, Gewürze und ähnliches ausgehen, macht er die Bestellungen, um die Lagerbestände wieder aufzufüllen. Der grösste Unterschied zu seinem «früheren Leben» als À-la-carte-Koch? «Der Stress und der Druck sind hier sicherlich viel kleiner, das ist angenehm. Dafür leidet halt die Kreativität ein wenig, weil wir viele Vorgaben haben aufgrund der verschiedenen Diäten der Bewohnerinnen und Bewohner – aber Spielraum gibt es immer. Und die Mengen sind ein grosser Unterschied: Im À-la-carte-Restaurant kocht man in der Regel für zwei bis vier Personen; hier koche ich für rund 80 Bewohnerinnen und Bewohner plus 60 bis 70 Restaurantgäste, je nach Tag», erklärt der 25-Jährige.

Zu Andrés Freude wurde die Seewadel-Küche im vergangenen Winter mit einem Pacojet ausgerüstet: Die Maschine ermöglicht es, tiefgefrorene Lebensmittel ohne Auftauen zu pürieren, sodass cremige Mousses, Saucen, Pestos und natürlich Sorbets oder Glacés ganz einfach zubereitet werden können. «Damit kann ich mich kreativ herausfordern. Ich habe unter anderem ein Eiskaffee-Rezept entworfen und bin stolz darauf, dass wir im Seewadel nun einen hausgemachten Eiskaffee servieren können.» Dem jungen Koch ist wichtig, dass er hinter dem stehen kann, was er serviert: «Ich tische nichts auf, woran ich nicht selbst Freude hätte. Das ist für mich das Wichtigste.»

 

Von Vitaminen, Fingerfood und pürierten Menüs

Wie bei Kindern und Jugendlichen, die sich im Wachstum befinden, ist auch für alte Menschen eine gesunde und ausgewogene Ernährung besonders wichtig: Fehlende Nährstoffe und Vitamine können das allgemeine Wohlbefinden und den Gesundheitszustand negativ beeinflussen. Hinzu kommen im Alter oft auch verminderter Appetit, abnehmende Kauleistung oder gar Schluckstörungen und eine verlangsamte Verdauung. Auf abwechslungs- und nährstoffreiche Menüs wird deshalb im Seewadel grossen Wert gelegt: «Bei der Menüplanung wird darauf geachtet, dass von allen Lebensmittelgruppen etwas dabei ist, sodass alle Nährstoffe und Vitamine vorhanden sind und es dem Körper an nichts fehlt», so André. Im Sommer startet er die einjährige Weiterbildung als Diätkoch, damit er sich vertieft mit diesem Thema sowie mit Unverträglichkeiten und Allergien auseinandersetzen kann.

Bei aller taktischer Vitaminplanung soll aber auch die Freude am Essen nicht zu kurz kommen. Deshalb holt das Küchenteam regelmässig Menüwünsche der Bewohnerinnen und Bewohner ab und bezieht diese wenn möglich in die Wochenplanung mit ein. Besonders hoch im Kurs sind Klassiker wie Zürcher Geschnetzeltes, Ghackets mit Hörnli oder Kalbsbraten. Berücksichtig werden natürlich auch jene Menschen, die aufgrund ihrer Gebrechen nicht mehr mit Besteck essen oder nur schwer schlucken können: «Wir servieren die Menüs bei Bedarf als Fingerfood, also in kleinen, handgerechten Häppchen, sodass die Bewohnerinnen und Bewohner auch dann noch in der Lage sind, selbstständig zu essen, wenn sie Messer und Gabel nicht mehr nutzen können.» Ebenso gibt es die Menüs auch in pürierter Form – von Gemüse über Stärkebeilagen bis zum Fleisch. Die Zeiten des «Einheitsbreis» sind hier glücklicherweise vorbei: Inzwischen werden die Lebensmittel in passende Silikonförmchen abgefüllt, sodass auch pürierte Menüs eine optisch ansprechende und möglichst authentische Form erhalten: «Pürierte Rüebli sehen dann aus wie Rüebli, Erbsen wie Erbsen und Pouletschenkel wie Pouletschenkel – auf dem Teller soll alles so natürlich wie möglich wirken», sagt André.


Zu Hause ist übrigens meist Andrés Freundin die Chefin am Herd: «Ehrlich gesagt koche ich daheim eher selten. Zu meiner Freundin sage ich immer: Ich nehme meine Arbeit nicht mit nach Hause», sagt er lachend.

Zurück

ÄHNLICHE ARTIKEL

Zurzeit sind keine Nachrichten vorhanden.